Der Landesjugendring NRW und die JUSOS in Dortmund haben zusammen mit dem Europaabgeordneten Dietmar Köster, SPD, zu einer Filmvorführung des Films „IUVENTA“ eingeladen. Nach der Vorführung konnten die Besucher mit Mitgliedern der Crew und einem Vertreter von „Sea Watch“ diskutieren.
Ich habe nach der Veranstaltung noch kurz mit dem neuen Kapitän der IUVENTA gesprochen und später seinen Namen gegoogelt.
In der Vorbereitung auf einen Gottesdienst am Buß- und Bettag in Dortmund Asseln habe ich dann einen Text geschrieben – zu einem Bild und einem Gedicht – und diesen Text mit Jonas Buja – dem Kapitän – per Mail ausgetauscht.
Im Gottesdienst haben wir – im Sinne der SEEBRÜCKE – an die Toten im Mittelmeer gedacht und für sie schwimmenden Kerzen angezündet.
Jeff Wall – untangling – entwirren
Gedicht von Hilde Domin
Bitte
Wir werden eingetaucht
Und mit den Wassern der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.
Der Wunsch nach der Landschaft
jenseits der Tränengrenze
taugt nicht,
der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten,
der Wunsch, verschont zu bleiben,
taugt nicht.
Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang die Taube
den Zweig vom Ölbaum bringe.
Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.
Und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem
zu uns selbst
entlassen werden.
Hilde Domin
Gedanken zu Bild und Gedicht
„Wir werden eingetaucht
Und mit den Wassern der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.“
Ich heiße Jonas Buja, bin 26 Jahre alt und bin Kapitän, und auch im Kirchenvorstand der Evangelisch-lutherischen Marien-Kirchengemeinde Holtland, in der Nähe von Leer. Ich bin Kapitän. Im Moment kann ich nicht ausfahren. Wir dürfen nicht. Und wenn ich die beiden in der Werkzeugkammer, im Lager sehe, wenn ich die Taue sehe, dann sind viele andere Bilder vor meinen Augen. Ich sehe mich mit meiner Crew mit unserem Schiff, der Iuventa, von Jugend rettet, auf dem Mittelmeer. Ich sehe wie wir nahe an die Schlauchboote heranfahren, vorsichtig, um niemanden zu schädigen. Ich sehe die Wartenden, die Entsetzten, die Hilfesuchenden, die von Todesangst gepeinigten.
Ich sehe sie vor meinen Augen, immer wieder, aber nur verschwommen, unklar. Eine undefinierte innere Unruhe ergreift mich.
Das Bild der beiden toten jungen Frauen geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Gleich am zweiten konnten wir die beiden Flüchtlinge nur noch tot aus dem völlig überladenen Schlauchboot bergen. „Da habe ich gedacht, was machst du hier eigentlich? Das ist doch alles Scheiße.“
Ja, wir werden eingetaucht
Und mit den Wassern der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.“
Ich bin durchnässt bis auf die Herzhaut.
Wir werden kriminalisiert- wir, die wir retten – Leben retten. Sind wir schon soweit, dass wir Seeleute Ertrinkende nicht retten dürfen?
Als Gottes Geschöpf hat jeder ein Recht darauf, gerettet zu werden – auch schiffbrüchige Flüchtlinge.“ Für mich gehört es zu den vornehmsten Pflichten, die wir als Christen haben, anderen zu helfen.“ Auf unserer ersten Mission im Mittelmeer haben allein wir 1.388 Menschen gerettet
Ja, wir werden eingetaucht
Und mit den Wassern der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.“
Ich bin durchnässt bis auf die Herzhaut. Ich sehe mich in diesem Bild. Ich fühle mich wie ein raues Tau, das einem durch die Hände gleitet und an der Haut kratzt.
Ich bin verwickelt, verworren vielleicht auch involviert, wie man sagt. Ja, manchmal fühle ich mich wie ein verwickeltes Tau, weiß weder Anfang noch Ende, weiß weder ein noch aus, bin ratlos. Sitze mit meinem Boot fest im Hafen, denn wir dürfen nicht mehr retten.
„Der Ertrinkende soll ertrinken. Es ist selbst schuld. Der Retter ist das Problem“ – sagen sie – In Italien sollen wir angeklagt werden.
Rettungskapitäne sollen ins Gefängnis – das macht mir Angst. Und das macht mich wütend.
Ich fühle mich wie im Widerstand, atme schneller, trotzdem fällt es schwer den einen Fuß vor den anderen zu setzten. Wir, die Jugendlichen, die Leben retten wollen, stehen still. Versuchen uns aus dem Knoten zu lösen.
3 Monate fahre ich bald wieder als zweiter Offizier mit dem Gastanker auf hoher See. Im Moment habe ich Urlaub und möchte gern wieder die Iuventa ins Mittelmeer fahren und mit meiner Crew Menschen vor dem Ertrinken retten.
Es bleibt die Bitte
Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang die Taube
den Zweig vom Ölbaum bringe.
Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.
Und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem
zu uns selbst
entlassen werden.
Sagt und schreibt die Dichterin Hilde Domin
„es bleibt die Bitte, dass wir aus der Flut, immer heiler stets von neuem zu uns selbst entlassen werden.“
Manchmal bin ich kaputt, nicht heil, bin ich wie ein Tau, verworren, und weiß nicht wie es weiter geht.
Aber es bleibt die Bitte, die Bitte zu Gott, die Bitte, dass unsere Herzen nicht verhärten, dass wir aus der Flut aufsteigen, heil, versehrt, wie ein Daniel aus der Löwengrube, voller Hoffnung, und wir wieder retten dürfen.
Und die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.- für alle!