Wir – die Redaktion von Geflüchtete-dortmund.de
– können diesem Entwurf nur mit Entsetzen zur Kenntnis nehmen. Hierfür haben wir mehrere Gründe:
Es stellt sich zunächst die Frage: Wo Horst Seehofer denkt, dass Menschen, die nicht in ihr Heimatland zurückkönnen, denn leben können? Ihnen das Leben in Deutschland unerträglich zu machen, oder sie einzusperren, ändert ja nichts daran, dass man nicht in seine Heimat kann. Oftmals gibt es bei fehlenden Reisepapieren auch keine Aussicht darauf, diese jemals zu bekommen: Die Herkunftsländer kooperieren unter Umständen nicht. Außerdem werden in diesem Entwurf Strafhaft und Abschiebehaft vermischt: Menschen werden zusammen mit Kriminellen untergebracht. Sowohl der Bundesgerichtshof, als auch der Europäische Gerichtshof haben beschlossen, dass sowohl die niedrige Schwelle zur Haft als auch die Vermischung nicht rechtens sind. Horst Seehofer will sich also gegen nationales und EU-Recht hinwegsetzen. Weiterhin nimmt das Gesetz Menschen die Möglichkeit, die Chance, sich überhaupt eine unabhängige Existenz aufzubauen: Momentan darf man mit einer Duldung zwar nur in Ausnahmen arbeiten, man darf aber eine Ausbildung beginnen, was dazu führt, dass man für die Zeit der Ausbildung in Deutschland bleiben darf. Viele Menschen nutzen diese Chance, und werden somit zu integrierten Mitbürgern und Fachkräften, an denen es in Deutschland ja mangelt. Man muss dazu sagen, dass so eine Ausbildung nicht leicht ist, und zum Beispiel voraussetzt, dass man sehr gut Deutsch spricht.
Die deutsche Wirtschaft braucht mehr Fachkräfte und möchte, dass es für mehr Menschen leichter wird, sich ausbilden zu lassen und in Deutschland zu arbeiten. Aber bevor man jemanden anstellt, oder ausbildet, muss man sicher sein, dass diese Person nicht bald abgeschoben wird. Als Kontrastprogramm zu Horst Seehofers Vorschlägen wurde in NRW deshalb ein Erlass herausgeben, der es Menschen ermöglichen soll nach fünf Jahren einen unbefristeten Aufenthaltsstatus zu erhalten.
Das finden wir gut. Denn Menschen, die hierher kommen nehmen den schweren Weg nicht umsonst auf sich, sondern in der Hoffnung auf ein erfüllendes Leben, und hierzu gehört Arbeit, um unabhängig zu sein, um etwas zu tun, was einen erfüllt, um eine Zukunft für seine Kinder zu sichern. Wir sind alle Menschen mit Wünschen, Träumen, Ängsten und Fähigkeiten. Wir finden, wir müssen „Wir“ sagen und uns als vollwertige Menschen betrachten – Horst Seehofer tut das nicht. Das neue Gesetz in NRW schon eher.
Darüber hinaus ist dieser Gesetzesentwurf ein Affront gegen jede Form von Humanität. Das ist Deutschland nicht würdig und darf von der Gesellschaft keinesfalls gebilligt werden.
Zu den Fakten –
Schon im Februar dieses Jahres hat Innenminister Horst Seehofer einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Dieser bezieht sich auf das Schicksal von in Deutschland lebenden geflüchteten Menschen, die eigentlich ausreisepflichtig sind, jedoch aus verschiedenen Gründen nicht ausreisen können – zum Beispiel, weil die gesundheitliche Situation es nicht erlaubt, oder weil man keine gültigen Reisepapiere hat. Mit dem 74 Seiten langen Entwurf möchte er Abschiebungen erleichtern, und darüber hinaus erschwert er das Leben für Menschen, die ausreisepflichtig sind, aber nicht ausreisen können. Momentan erhält man in so einem Fall eine Duldung. Dies ist keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern der Aufenthalt wird geduldet, weil man nicht ausreisen kann; zum Beispiel, weil man keinen gültigen Pass hat.
Der Innenminister plant diese Duldung abschaffen, so dass Menschen nur noch einen Ausreisebefehl erhalten. Dadurch wird der Zugang zu allen Integrationsangeboten verschlossen, es gelten schärfere Arbeitsverbote, und nur noch Unterkunft und Essen werden gestellt. Wenn ein geflüchteter Mensch bei der Beschaffung nicht mithilft, drohen ihm oder ihr Gefängnis, auch wenn nicht sicher ist, ob man in den nächsten 6 Monaten ausreisen kann. Da es momentan nur wenige Plätze in Abschiebehaft gibt, sollen solche Menschen dann in regulären Gefängnissen untergebracht werden. Etwas Ähnliches gilt auch für Helfer: Wer Menschen dabei unterstütz, einer Abschiebung zu entgehen, zum Beispiel durch Kirchenasyl, kann bis zu drei Jahren im Gefängnis landen.