Wir sind nicht die Gegner!“ Mit dieser Botschaft wandte sich Melanie Schmickler, Leiterin der Ausländerbehörde Dortmund, an die Mitglieder des Netzwerks Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe.
Die Ehrenamtlichen hatten am Donnerstag, 26.02., im Reinoldinum die Chance, drängende Fragen loszuwerden – und sparten nicht an Kritik an der Behörde.
Die Ausländerbehörde ist eine wichtige Behörde für Ehrenamtliche, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Aber die Behörde kümmert sich nicht nur um Flüchtlinge: Sie ist zuständig für 106.000 Ausländer, darunter auch ausländische Fachkräfte oder Studierende. und kümmert sich um die aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten von ausländischen Staatsangehörigen – dies können sein ausländische Studierende und Fachkräfte, Geflüchtete oder Unionsbürgerinnen und Unionsbürger. Damit ist die Dortmunder Ausländerbehörde in der gegenwärtigen Struktur die sechstgrößte kommunale Ausländerbehörde in Deutschland und die zweitgrößte in NRW. Dadurch steht die Ausländerbehörde Dortmund in ihrer Rechtsanwendung auch im Fokus der übergeordneten Behörden und Gerichten, von Medien und Politik.
Kritik an stundenlangen Wartezeiten
Besonders bemängelten die Flüchtlingshelfer organisatorische Schwachpunkte und stundenlange Wartezeiten. Oft muss man sich bereits um vier Uhr morgens anstellen, um überhaupt mit einem Sachbearbeiter sprechen zu können. Melanie Schmickler machte bei der gut besuchten Sitzung des Netzwerks deutlich, dass sie – wie auch die Mitarbeitenden –die Situation in einigen Punkten selbst nicht als zufriedenstellend empfindet. Sie könne in der derzeitigen Situation die Servicezeiten aber nicht ausweiten, da den Mitarbeitenden sonst die Zeit für bspw. die notwendige Bescheidung fehle. Zwar sei das Personal der Ausländerbehörde stark ausgeweitet worden – von rd. 85 Mitarbeitenden, bei Schmicklers Dienstantritt als Abteilungsleiterin in der Ausländerbehörde, auf aktuell 130 – dies sei vor dem Hintergrund weiterhin steigender Fallzahlen und sich stetig verändernder Gesetzlagen aber immer noch nicht ausreichend. Zusätzliche Stellen seien bewilligt worden, bislang konnten aber nicht alle besetzt werden. Auch die Räumlichkeiten seien trotz der erhöhten Mitarbeiterzahl die gleichen geblieben. Die Belastung für die einzelnen Mitarbeiter ist durch die Umstände enorm gestiegen: Die Visa-Abteilung beispielsweise habe mit fünf Mitarbeitern 2015 1.250 Visa-Verfahren bearbeitet – im Folgejahr bereits 3.660. Pro Jahr habe die Behörde 80.000 Kundenkontakte. „Das ist ein Massengeschäft“, kommentierte Schmickler.
Zeit, Fragen zu beantworten
Bei dem Treffen im Reinoldinum allerdings nahm die Behördenleiterin sich Zeit, die zahlreichen Fragen der Ehrenamtlichen zu beantworten. Ein Überblick der wichtigsten Themen:
- Übersetzung & Verständnis von Bescheiden: Heftig kritisiert wurde aus dem Plenum, dass die Behörde wichtige Dokumente und Aufforderungen nicht übersetzt. Es sei dann an den Ehrenamtlichen, bei den Geflüchteten für Klarheit zu sorgen, obwohl diese auch nicht immer firm mit der Sachlage seien; die Behörde stehle sich aus der Verantwortung, so der Vorwurf. Melanie Schmickler verwies auf den Flüchtlingsbeauftragten der Stadt, Frank Binder (Tel. 0231 50-25414, fbinder@stadtdo.de). Als Schnittstelle zwischen Behörden und Geflüchteten könne dieser offizielle Bescheide erklären. Zudem helfen die Flüchtlingsberatungsstellen z.B. von VMDO und verschiedenen Wohlfahrtsverbänden wie Diakonie, AWO oder Caritas. Die Behördenleiterin erklärte zudem, dass ein Geflüchteter das Recht habe, eine Begleitperson zu einem Termin mitzunehmen, die bei dem Verständnis der Sachlage hilft. Sie nahm allerdings als Anregung mit, dass mehr Sprachkompetenz bei den Behördenmitarbeitern selbst sinnvoll ist.
- Beschwerdemanagement: Wenn Ehrenamtliche oder Geflüchtete unzufrieden mit einem Sachbearbeiter sind, hätten sie das Recht, den nächsthöheren Vorgesetzten, also zum Beispiel die Teamleitung, zu sprechen, erklärte Schmickler. Möglich sei es auch, das Büro für Anregungen und Beschwerden (Südwall 2-4, Tel. 0231-50-10000) als unabhängige Stelle aufzusuchen. Wenn es allerdings um eine Sachfrage ginge, sei es erfolgsversprechender, in der Ausländerbehörde selbst um Rat zu suchen.
- Wohnsitzauflage: Ein extrem emotionales Thema war die Wohnsitzauflage, die seit dem 6.08.2016 in Kraft ist. Demnach sind Flüchtlinge verpflichtet in dem Bundesland zu wohnen, in das sie während des Asylverfahrens zugewiesen wurden. Dies gilt rückwirkend bis zum 01.01.2016. Ein Schreiben, mit dem die Dortmunder Ausländerbehörde Geflüchtete aufgefordert hatte, Stadt und Bundesland zu verlassen, sorgte für große Empörung. Die Ehrenamtlichen berichteten bei der Sitzung im Reinoldinum aufgebracht, dass der Brief bei Geflüchteten für große Panik und teils für eine Retraumatisierung gesorgt habe. Schmickler verwies darauf, dass die politischen Entscheidungen in dieser Phase „fast in Echtzeit“ getroffen worden seien und die Verwaltung in der Umsetzung fast tagesscharf reagieren musste bei zeitweise unklarer Weisungslage.
- Familiennachzug: Für Ehepartner und minderjährige Kinder, die im Rahmen eines Familiennachzugs nach Deutschland kommen, gab die Behördenleiterin den Ehrenamtlichen den Ratschlag, einen eigenen Asylantrag zu stellen. Dies sei der wesentlich stärkere Aufenthaltstitel, der zum Beispiel auch bei Erreichen der Volljährigkeit für die Kinder vieles einfacher mache.
- Pass-Beschaffung: Dass von Geflüchteten gefordert werde, sich aufgrund der Passpflicht einen Pass von ihrem Heimatland zu beschaffen, auch wenn dies in der Realität wegen hoher Gebühren und organisatorischer Schwierigkeiten kaum möglich sei, prangerten die Netzwerkmitglieder an. Hierzu erklärte Melanie Schmickler die Sachlage: In der Asylentscheidungspraxis werde vermehrt subsidiärer Schutz ausgesprochen dies bedeutet in der Folge: einer subsidiär schutzberechtigten Person ist es zuzumuten, sich für die Beschaffung von Passpapieren an die Behörden seines Heimatstaates zu wenden.. „Die Ausländerbehörde weiß aber, dass je nach Land die Passbeschaffung extrem schwierig sein kann“, so die Behördenleiterin. Diese Erfahrungswerte würde die Ausländerbehörde berücksichtigen und den Betroffenen –im Einzelfall durch längere zeitliche Fristen – entgegenkommen.
- Härtefälle: In NRW gibt es eine Härtefallkommission, die als unabhängiges Gremium durch eine Beratung der Ausländerbehörden versucht, die Härte durch Ausreise zu verhindern. Wie Melanie Schmickler erläuterte, liegt die abschließende Entscheidung gleichwohl nicht bei der Kommission, sondern bei der Behörde. Sie betonte aber: „In Dortmund sind wir bisher immer der Empfehlung der Härtefallkommission gefolgt.“
- Ausbildung: Durch die Neuregelung des Integrationsgesetzes und die damit verbundene Änderung des § 60a Aufenthaltsgesetz hat sich die Lage für Geduldete, die eine Ausbildung beginnen wollen, verbessert. Demnach dürfen sie für die Dauer der Ausbildung in Deutschland bleiben. Voraussetzungen dafür sind laut Schmickler, dass…
– sie eine qualifizierte Berufsausbildung anstreben,
– die Behörden keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen (wie eine Flugbuchung) eingeleitet haben,
– keine Täuschungen oder Vorstrafen vorliegen. - für Personen aus sicheren Drittstaaten gilt diese Möglichkeit nicht, wenn der Asylantrag nach dem 01.2015 abgelehnt wurde,
Die Behördenleiterin erklärte, dass bislang nicht geregelt ist, wann die Ausbildung beginnen muss, damit die Neuregelung zur Anwendung kommt. Nach Auffassung der Ausländerbehörde muss ein zeitlicher Bezug zwischen Duldungsausstellung und Ausbildungsbeginn gegeben sein. Im Moment sei dies eine „Ermessensentscheidung“, so Schmickler.
Zusammenfassend warb die Leiterin der Ausländerbehörde für eine gute Zusammenarbeit bei den Ehrenamtlichen: „Wir sind nicht die Gegner!“ Zwar treffe die Behörde auch manchmal rechtliche Entscheidungen, die im Ergebnis nicht immer im Sinne der Ehrenamtlichen seien. „Aber wir kennen auch unsere Handlungsspielräume“, so Melanie Schmickler.