Aus einem einfachen Anliegen heraus hat sich in Dortmund vor einiger Zeit das Netzwerk geflüchtete Frauen gegründet. Die Frauen sagen: „Damit es offen und lebendig ist und sich alle Frauen wohl und willkommen fühlen, braucht es, dass wir uns alle öffnen. Wir sprechen verschiedene Muttersprachen, sind an anderen Orten dieser Welt geboren und manche von uns haben ihre Heimat verlassen, weil sie mussten und manche, weil sie wollten. Wir haben verschiedene Religionen und Traditionen, unsere Hautfarben sind unterschiedlich und uns sind verschiedene Werte verschieden wichtig.“
Simone Streif, eine der Initiatorinnen, erklärt, worum es geht:
„Die Vision zur Gründung des Netzwerks war, dass wir alle Frauen sind, die hier in Dortmund gemeinsam leben, und dass viele neu zugewanderte Frauen dazugekommen sind, die wir erreichen und ansprechen möchten. Das Netzwerk geflüchtete Frauen ist besetzt durch ganz viele unterschiedliche Akteurinnen und Teilnehmerinnen. Viele arbeiten hauptamtlich, einige ehrenamtlich, und es sind auch mehr und mehr geflüchtete Frauen dabei, die alle aus ihrer Sicht und Warte sprechen. Neben dem Anliegen, dass wir uns inhaltlich-fachlich und vor allem auch viel persönlich austauschen, ist es ein großer Wunsch, dass wir vom Netzwerk die Ressourcen nutzen, dass wir unsere Kräfte bündeln, und dass neben den regulären Treffen so mindestens einmal im Jahr Aktionstage, Fachveranstaltungen entstehen, wo wir zu gesonderten Themen einfach zusammenkommen.“
So hat sich bei den Treffen schnell eine ganz besondere Atmosphäre entwickelt:
„Ich bin in der Flüchtlingsarbeit seit vier Jahren, aber das hat mich wirklich bewegt. Durch diese Ruhe durch dieses Zusammensein, gemeinsam sein. Ich arbeite jetzt mit Geflüchteten, und besonders mit geflüchteten Frauen, weil ich selber erstmal geflüchtet bin. Ich komme aus den Kriegsgebieten, habe zwanzig Jahre im Krieg gelebt – ich weiß, was das bedeutet. Und Frauen, die nach Deutschland kommen brauchen sehr sehr viel Hilfe, brauchen sehr viel Schub nach vorne. Also ich möchte, dass diese Frauen die Hemmschwellen auch abbauen, dass wir Brücken bauen zwischen den Kulturen. Und um Anzukommen brauchen wir sehr viel Zeit.“
Die möchte das Netzwerk sich nehmen:
„Die große Überraschung war, dass ich festgestellt habe, hier gibt es tatsächlich offene Räume, die nicht durch funktionale Aufgaben, Absichten und so weiter besetzt sind, oder durch Strukturdebatten, oder oder oder… sondern dass hier wirklich offener Raum war, in dem plötzlich Begegnung stattfinden konnte. So. Und auch Austausch ganz persönlicher Erfahrungen. Und das fand ich so kostbar – also für mich – dass ich einfach beschlossen habe: da musst du dabeibleiben. Und ich hab‘ mich dann auch für die Vorbereitungsgruppe mit angemeldet, um auch dieses Element wirklich mit zu erhalten. Weil das geht immer ganz schnell verloren, weil alle fragen nach Zielen, und was wollt ihr denn, und wie geht das denn, und so weiter. Und eine der Motivationen dann auch da zu bleiben in diesem Netzwerk geflüchtete Frauen, ist das: dass ich in meiner Arbeit sehr viel mit diesem Thema zu tun habe, aber hier das erste Mal gemerkt hab‘, wie persönlich betroffen ich eigentlich von dem Thema bin. Persönlich betroffen deshalb, weil ich plötzlich gemerkt habe, bei den Aufzählungen: was brauchen Frauen, was sind deren Bedarfe; geflüchtete Frauen, die kommen hier an, in welche Situation kommen die rein, wie nehmen wir sie wahr, wie gehen wir mit ihnen um, was können wir an Unterstützung leisten… da habe ich so gemerkt, dass alle diese Dinge auch meine eigenen Bedarfe sind, in Bezug auf geflüchtete Frauen, die zu uns gekommen sind. Und ich muss sagen, das ging noch eine Stufe weiter, weil ich plötzlich gemerkt habe, ich will persönliche Erfahrungen hören. Ich will nicht Gehörtes hören, sondern ich möchte von Menschen hören, die aus anderen Ländern kommen. Wie haben die da gelebt? Was hat ihnen eine Sicherheit gegeben in ihrem Leben, in ihrer Existenz? Was ist ihr Background? Was macht ihre Persönlichkeit aus? Wo stehen sie da? Was macht ihren Schutz aus? Haben sie da Schutz gehabt? Und damit meine ich jetzt nicht nur den Krieg. Sondern ich meine auch die Divergenzen zwischen Männern und Frauen und so weiter. Ich bin heute hier und ich erlebe eine ganz vielschichtige Kultur, und ich merke an vielen Stellen, dass durch meine persönlichen Erfahrungen auch Bedrohungsmomente auftauchen, die mir Angst machen. Und ich möchte gerne von Frauen aus anderen Kulturen hören, wie gehen die damit um, wie sind die in der Vergangenheit damit umgegangen in ihren eigenen Ländern, in den Begegnungen von Männern, Frauen, Kindern? Und das ist zum Beispiel für mich ein ganz wesentliches Element. Ich habe nicht nur Kinder, ich habe auch Enkel. Und ich möchte gerne wissen, ich möchte denen erzählen können, ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, welchen Schutz, welche Sicherheit, welche Möglichkeiten haben die Länder, die verlassen und deren Kulturen mitgebracht worden sind, was haben die Frauen da, und was können sie mir erzählen, und was kann ich ihnen von meinen Situationen erzählen hier. Und dann kommen wir vielleicht auch zu der Gelegenheit, dass wir uns nicht nur gegenüber wahrnehmen, sondern in gemeinsamen Bedarfen. Und das wäre mir ein ganz großes Anliegen. Ich möchte gerne meine Arbeit in drei Jahren hier beenden – also dann gehe ich in Rente – und ich möchte ein Gefühl dafür haben, was macht diese Gesellschaft hier auch unter dem multikulturellen Aspekt eigentlich aus, und was kann ich meinen Enkeln erzählen.“
„Mir war es sehr wichtig, dass die Arbeit mit den Frauen und vor allem auch mit den geflüchteten Frauen hier in Deutschland beachtet wird auf jeden Fall, und dass die Frauen nicht in ihren Häusern bleiben sondern mit in der Gesellschaft mit dabei sind und sich da keine Parallelgesellschaft bildet. Deswegen möchte ich auf jeden Fall soweit es geht bei den Treffen mit dabei sein, und auch meinen Beitrag dazu leisten. Das wichtigste ist es ja, dass Frauen Frauen sind, und dass wir alle Frauen sind, und alle die gleichen Probleme haben und die gleichen Betroffenheiten.“
Informationen:
Am Mittwoch, den 20. Juni 2018, findet das vierte Treffen des Netzwerks geflüchtete Frauen von 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr im Haus der Vielfalt statt.
Adresse: Haus der Vielfalt, Beuthstraße 21, 44147 Dortmund
Anmeldungen bitte bis zum 15. Juni an: simone.streif@malteser.org
Es werden Dolmetscherinnen vor Ort sein.